Es gibt Werke, die der Ertrag von gewissenhafter Arbeit und Jahren des Studierens und der Strenge sind. Das ist das einzige Geheimnis. Oder vielleicht könnten wir die Leitsätze Gaudís zitieren: ?Man muss die Dinge gründlich studieren" und ?Um ein gelungenes Werk zu erschaffen, braucht es zuerst Liebe und dann Technik." So hält es Josep M. Tarragona in diesem Buch.
Die Neugier für große Persönlichkeiten nimmt uns gefangen und Gaudí überrascht uns mit einem scheinbaren Mangel an Außergewöhnlichkeit, denn, obwohl ein Kunstwerk für sich allein Wert haben muss, wage ich zu sagen, dass in Gaudís Fall ein rigoroses Lebensbild unabdingbar ist, um seine Kreativität richtig zu erfassen; er, der keine ?geistige, physische oder spirituelle ? menschliche Leistungsfähigkeit zu sein und zu erschaffen, verschmähte. Das möchte ich betonen, denn es ist bei anderen schöpferisch tätigen Menschen nicht so: bei ihm sind Leben ?im tieferen Sinne von Ideen und der Überzeugung, dass sie es bilden und vorantreiben? und Werk voll und ganz untrennbar, wenn wir uns, mit seinen Worten, den partiellen Anblick eines ?amputierten Menschen" ersparen wollen.
Aus diesem Grund ist die Kenntnis jedes noch so kleinen alltäglichen Details hinsichtlich der Evolution seines Denkens?das tiefer ist als es scheint? sowie seiner künstlerischen, gesellschaftlichen und religiösen Überzeugungen von grundlegender Bedeutung, wenn wir in den Besitz der Schüssel zur Deutung seiner revolutionären Baukunst sowie der ideologischen, funktionalen und symbolischen Gründe, die ihr Sinn verleihen, gelangen möchten. Ebenso verhält es sich mit weniger bekannten Aspekten wie dem Objektdesign, der Schaffung von interdisziplinären Teams, dem Management jeglicher Art von Ressourcen, seien sie menschlicher, technischer oder stofflicher Natur, oder der unglaublichen Aufzählung vielfältiger Interessen, die ihn zu einer komplexen Persönlichkeit machten. Es geht also darum zu verstehen, woraus das Universum Gaudí und seine Methode besteht: das bewusste Studieren der Probleme und ihrer Lösungen sowie der Arbeit in der Labor-Werkstatt, dem bevorzugten Ort, an dem sich die unglaublichen technischen und wissenschaftlichen Beiträge überkreuzen.
Josep M. Tarragona ist Historiker von Kopf bis Fuß. Damit möchte ich sagen, das er ein Wissenschaftler ist: er untersucht Sachverhalte und Werke, er studiert Quellen, Dokumente, Zeugen, das jeweilige Umfeld und die Zusammenhänge. Er arbeitet als solcher und klammert störende Bedenken aus. Das ist meiner Meinung nach der hauptsächliche Wert seines Beitrags zur umfassenden Kenntnis des Menschen Gaudí und seines Werks. Inmitten zu vieler banaler Ideen ist man dankbar für ernsthafte Arbeiten. Tarragona ist äußerst methodisch und die Biographie in seinen Händen ist ein Beispiel dafür: er geht bei der Lebensbeschreibung des Künstlers streng chronologisch vor, aber nicht um einfach einen Haufen Fakten aneinanderzureihen, sondern um ihre Evolution zu zeigen und sie so verständlich zu machen, und zwar immer in dem Bewusstsein, dass es in jedem Werdegang einer Person oder eines Kollektivs keine Standfotos sondern Bewegungen und dynamische Wechselbeziehungen gibt.
Der Nutzen des chronologischen Aufbaus dieses Buches ist es somit, sowohl dem Lebensfaden Gaudís zu folgen, als auch die Gleichzeitigkeit, die Dauer, die Sprünge, die Intensität und die Einflüsse des Lebens und des Werks zu veranschaulichen. Im Anschluss an die Ausbildungszeit sind die Abschnitte in Jahren und Kapitel strukturiert, da sie von wesentlicher Bedeutung sind, um das Verhalten des Künstlers zu definieren, sei es beruflich? beispielsweise die Annahme eines Auftrags?, sei es persönlich ?seine Lieben und Verlobungszeiten.
Tarragona führt uns geschickt entlang dieser Fäden der Ariadne, wobei sich der um die Sagrada Família gesponnene besonders hervorhebt. Dieses Werk umfasst praktisch das gesamte Arbeitsleben Gaudís und wird zur Synthese von Entdeckungen und Überzeugungen. Daher der bedeutsame Untertitel des Buchs: El arquitecto de la Sagrada Familia (Der Architekt der Sagrada Familia), und zwar nicht so sehr, weil sie sein Leitwerk ist, sondern mehr noch, weil sie das Werk ist, das wie ein Nerv den Lebenskörper des Künstlers durchzieht, und ihn schließlich zu einem Giganten der Kunst, einem Dante der Architektur macht. Tarragona beschreibt es mit großer Präzision: Für Gaudí war die Sagrada Família eine persönliche Mission.
Währenddessen lernt, entdeckt, experimentiert und findet Gaudí neuartige Lösungen, die er hie und da anwenden wird. Die Kirche der Colònia Güell ist das Musterbeispiel. Gaudí selbst sagt: ?Ohne die Versuche, die ich dort machte, hätte ich nicht gewagt, alles an der Sagrada Família auszuprobieren." Daher ist es nur angebracht, den Spuren der ganzen Evolution und sämtlicher Funde zu folgen, um einen in sich geschlossenen und zuverlässigen Bericht zu schreiben. So reicht die chronologische Nachverfolgung Gaudís über die beschreibende und isolierte Aufzählung von Werken weit hinaus und wird zu einer Erklärung der Errungenschaften des Genies. Und ich glaube, dass darin der hauptsächliche Reiz des methodischen Vorgehens des Autors mit seinem präzisen und direkten Stil im Dienst dessen, was eine Biographie sein soll, liegt: ein Essay auf Grundlage der Untersuchung der Werke, der Zeugen und der Unterlagen.
Ein Stil voller Anekdoten, Personen und Milieubeschreibungenpotencialid, die der Erzählung Leben und Wärme verleihen, weil wir zuweilen vergessen, dass hinter einem Werk ein Mensch steht, der wirklich lebte, sich freute, litt und die kühle Morgenluft im Gesicht fühlte. Ebenso leisten uns die enthaltenen Vergleiche einen großen Dienst, um den Wert dessen würdigen zu können, was uns über die bloße Beschreibung hinaus erzählt wird. Das ist die einige Male vom Verfasser angesprochene Parallele zwischen Johann Sebastian Bach und Gaudí: Symbolik, Transzendenz, Vollkommenheit der Werke und eine ähnliche Sichtweise der Leiden Christi.
Zusammengehalten wird die gute handwerkliche Arbeit Josep M. Tarragonas durch den Einsatz geschichtlicher Referenzen, und zwar nicht um seine Theorie richtig zu platzieren, sondern um die Praxis zu verstehen. Die gesellschaftliche, kirchliche, kulturelle, politische und konkrete Personen betreffenden Angaben erklären stets das Tun Gaudís. Besonders hervorgehoben wird, wie sollte es anders sein, Eusebi Güell, der Freund und Mäzen. In der Erzählung ist nichts überflüssig und das Resultat von allem ist ein solider Korpus mit gut herausgearbeiteter Bedeutung. Der Beweis dafür ist die vom Autor selbst verfasste und als Portikus bezeichnete Einleitung: der erste Absatz ist die beste Zusammenfassung, die ich jemals über das, was Gaudí war und über seine Stellung in seiner Zeit innerhalb der Kunstgeschichte und für die Zukunft gelesen habe. Mit wenigen Strichen zeichnet er den Charakter und die Ideale, die Gaudí zum Genie machten, die Schlüssel zum Verständnis der Auffassung seiner Kunst und der Art, wie er sie erreichte, nach.
Diese Biographie verdient den größten Dank. Sie ist das destillierte Wissen aus Synthese und Präzision, der gehaltvolle Ertrag von Jahren des Studierens und der Recherche, von angehäufter und immer wieder überprüfter reiner Kenntnis des Inhaltsstrangs durch ein intensives und komplexes Leben, das wir gerade einmal begonnen haben zu erahnen. Denn Josep M. Tarragona kennt wie kein anderer jeden Schnörkel und jeden Krümmung im Leben eines Menschen, der, nach den Worten Isozakis, mit den formalen Grenzen der Architektur brach.
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